Perry Clifton hat geschrieben: Do 20. Mär 2025, 20:21
Früher hätte ich auch noch gesagt, ja, es geht darum, Altes neu zu kombinieren. Heute denke ich, nein, nichtmal das. Es gibt im Prinzip immer dasselbe, eine Speisekarte mit wenigen Menüs. Man kann sie nur immer wieder neu erzählen, nicht mehr andere Rezepte erfinden. (Das ist kein Pessimismus und kein Mangel an Kreativität... beschäftigt euch mal ausgiebig damit und kommt dann mit einem Geschichstypus um die Ecke, den es noch nie gab )
Also neu erzählen = neu zusammenfügen? Jein.
Meine aktuelle Antwort wäre: Sie neu erfahrbar machen.
Und wie? Mit dem einzigen, was ein Schriftsteller wirklich anzubieten hat: seiner persönlichen Sichtweise.
Ja, so ist es wohl besser formuliert. Klar, wann immer man sich sicher ist, etwas komplett Neues erfunden zu haben, wird immer einer um die Ecke kommen und was finden, das einwandfrei beweist, dass das irgendwann schon mal da war.

Da bedeutet "neu erzählen" tatsächlich nicht "neu zusammenfügen", das klingt zusehr nach Baukastensystem. Mit "neu erfahrbar machen" ist das besser auf den Punkt gebracht. Bemerkbar vielleicht auch an dem Phänomen, dass man einen Klappentext liest und sich denkt, "Ja, war schon hundertmal da, aber könnte Spaß machen, zu sehen, wie Autor X das Thema umsetzt!"
(Hm, dazu dann wohl die Frage, wie weit ich mich hier theoretisch in die Bredouille schreiben kann, bevor das Zeug, an dem ich gerade arbeite, fertig wird, und ob es danach wirklich noch das Tageslicht zu sehen bekommen sollte ...

)
Perry Clifton hat geschrieben: Do 20. Mär 2025, 20:21
Ja, man könnte DDF eher der ersten Phase und TKKG eher der zweiten Phase zuordnen. Ganz richtig, mit diesen Phasen, übrigens. Allerdings ging und geht DDF ja später schon eher in Richtung Hard Boiled (wenn auch meist mehr schlecht als recht). Und ja, die Crimebusters haben das schon eingeläutet.
TKKG wiederum hat in den Nebencharakteren absolut Hard Boiled Charakteristika... bei den Protas weniger
Also würde ich schon sagen, diese Einteilung ist interessant, aber keine "absolute" Zustandsbeschreibung.
Ich mag mich im entsprechenden Post missverständlich ausgedrückt haben: Ich meinte mit "der Sprung war vollzogen" in der Tat, die Hard-Boiled-Phase hat mit den Crimebusters ANGEFANGEN. Sie hat mitnichten auch damit aufgehört.
Bei TKKG gab es da eben die erste Phase ab ca. Folge 20. Die ging natürlich auch nicht ewig. Aber sie war eine merkliche Veränderung, für damalige Leser logischerweise ohne die Möglichkeit zu erahnen, was dem Langzeitfan in den "Naughty Nineties" noch blühen sollte ...
Bei TKKG funktionierte das aber trotzdem, denn wie Porsche-Hubi schon treffend sagte, Stefan Wolf hat eine irrsinnig große thematische Bandbreite abdecken können. Wahrscheinlich ist das das Geheimnis der Langlebigkeit dieser Serie, verglichen mit allem, was Wolf sonst noch an Jugendserien aufgefahren hat.
Wäre bei DDF vielleicht auch gegangen, hätte man nach den Crimebusters und BJHW jemanden gehabt, der neue Wege gehen UND auf die Dekonstruktion des Nukleus' der Serie verzichten kann. (Hey, ich hab nur für den LETZTEN Post gemeint, ich wolle dort nicht wertend werden, das hier ist ein anderer Post mit anderen Regeln.

)
Perry Clifton hat geschrieben: Do 20. Mär 2025, 20:21
Muss ich jetzt nochmal mein Wissen auffrischen, oder hat beides, was ihr sagt, nicht wirklich was mit dem hermeneutischen Zirkel zu tun?
Also Erkenntnistheorie, mehrfaches Lesen bei jedermaliger Neuinterpretation und wachsender Erkenntnistiefe...
Oder bin ich gerade zu penibel?
Wahrscheinlich haben wir das Richtige gemeint, aber uns in Begrifflichkeiten verheddert ... wäre dann also unsere Schuld, nicht deine.
Perry Clifton hat geschrieben: Do 20. Mär 2025, 20:21
Auf jeden Fall ist die Forschung nach Inspirationsquellen, Ursprüngen und Prototypen interessant und lohnend, da bin ich ganz bei euch.
Je mehr man das aber macht, desto weniger glaubt man am Ende an "wirklich Neues".
Man glaubt aber schon daran, dass nur ein Stefan Wolf TKKG so schreiben konnte, wie es geworden ist, selbst bei gleichem Konzept, und zwar zu Recht.
Womit der Kreis wieder geschlossen wäre
Ich bin mir gerade unsicher, ob meine eigene Aussage eventuell zu pessimistisch in Bezug auf die Möglichkeiten zur Erschaffung von "wirklich Neuem" herübergekommen ist ... Für den Fall, dass ja: Man lässt sich andauernd inspirieren. Anders geht es gar nicht. Und ob es nun ein bereits zugrundeliegendes Werk sei, oder auch das, was man aus dem eigenen Umfeld mitbekommt, oder was man medial rezipiert - man wird immer eine Inspirationsquelle finden, wenn man nur lange genug sucht.
Das machte immer schon den Reiz aus - nicht "klasse, weil völlig neuartig", sondern "geil, einfach weil's von Wolf kam".

Mit seinem eigenen Stil, seiner Weltsicht, seiner Art der Charakterdarstellungen, seiner Art des Plottings, seinen uns bekannten Figuren und nicht zuletzt seinem Humor.
Genau deshalb gibt es Millionen Autoren, und keiner ist wie der andere.
