
Dafür aber im ersten Abschnitt nochmal eben was für den Altfan-Appeal.

Without further ado ...
Als Tim am Morgen – einem Samstag – im ADLERNEST wach wurde, stellte er überrascht fest, dass auch Klößchen nicht mehr schlief, anders als er es sonst zu tun pflegte.
»Du hast genauso mies gepooft wie ich, was?« grüßte dieser.
Tim brummte zustimmend. »Ich sinniere seit Stunden darüber, was Karl wohl macht. Und wo er ist. Und vor allem, wie er dorthin gekommen ist, wo er jetzt ist.«
»Ich möchte vor allem wissen, was Rosalie mit dem ganzen Affentanz zu schaffen hat«, entgegnete Klößchen. »Könnte die etwa Karl so umhauen?«
Tim zuckte mit den Schultern. »Wir wissen ja, der Stärkste ist Karl nicht gerade. Er kippt ja schon beim geringsten Luftwiderstand fast aus den Latschen.«
»Nein, ich meine mehr, dass sie ihn umhaut, indem sie ihm den Kopf verdreht.«
»Ich hab keinen blassen Schimmer. Aber selbst wenn, war sie auch nicht notwendigerweise diejenige, welche. Kann ja sein, ihm ist irgendein eifersüchtiger Macker gefolgt und hat die Gelegenheit genutzt. Aber auch das scheidet für mich eher aus. Ich glaube inzwischen ziemlich fest an eine Entführung, und den Aufwand, nur um einen Nebenbuhler loszuwerden … naja, das gibt es zwar, aber für sehr wahrscheinlich halte ich das nicht.«
»Ich auch nicht.« Klößchen nickte. »Meinst du, Gaby hat das hingekriegt, mit der Nachricht?«
»Wenn sie’s so gedeichselt hat wie vereinbart, wird das geklappt haben.«
»Wollen wir’s hoffen.«
In diesem Moment klopfte es an der Tür – welche auch umgehend geöffnet wurde. Wie üblich trat Assessor Langbein ein, ohne hereingebeten worden zu sein. »Guten Morgen«, grüßte er. »Peter Carsten?«
»Guten Morgen, Herr Assessor«, erwiderte Tim. »Sie werden’s nicht glauben, aber wir haben heute wieder mal nicht geraucht.«
»Das will ich auch schwer hoffen. Aber darum geht’s diesmal gar nicht.«
»Sondern? Brennt die Schule?«
»Solange die Buden rauchfrei bleiben, unwahrscheinlich. Nein, Gaby Glockner möchte dich sprechen. Ich habe …« Er räusperte sich einmal kurz. »Ich weiß nicht, wann ich den Satz zum letzten Mal gesagt habe, aber: Ich habe das Gespräch in die Besenkammer gelegt.«
Tim und Klößchen zogen erstaunt die Augenbrauen hoch.
»Der Apparat im Knutsch-Kabuff?« meinte Klößchen. »Das alte Ding funktioniert noch?«
»Ich hätte es selbst nicht gedacht, aber ja, der Apparat geht.«
»Danke, Herr Assessor!« Umgehend sprang Tim auf, noch ehe der Erzieher vom Dienst hätte nachfragen können, weshalb Gaby ihn nicht auf dem Handy anrief.
Tim stürzte förmlich den Flur und die Treppe hinab, ehe er die Besenkammer erreichte – inzwischen wortwörtlich eine Besenkammer, welche in grauer Vorzeit als Telefonzelle gedient hatte. Er schloss die Tür sorgsam hinter sich und hielt den klobigen Apparat, mit dem wohl schon Generationen von Schülern telefoniert hatten, ans Ohr. »Gaby?«
»Morgen, Tim! Ich dachte, es wäre sicherer, nicht auf dem Handy anzurufen.«
»Der Gedanke drängt sich auf.«
»Pass auf. Das mit der Nachricht hat geklappt. Mein Vater ist eben aus der Nachtschicht wiedergekommen. Das Thema hat natürlich für Diskussionen gesorgt, aber wir wissen jetzt immerhin, dass es sich um einen bekannten Hacker handelt, der sich ›TheBlackCount‹ nennt. Also, schwarzer Graf. So hat er sich am Telefon ja auch genannt.«
Tim brummte zustimmend. »Ich erinnere mich.«
»Der hat bei der Polizei wohl schon öfter mal Stress gemacht«, fuhr Gaby fort. »Daher kennen wir sein Ziel nicht. Wir können nur davon ausgehen, dass es sich eher nicht um einen alten Bekannten von uns handelt, der speziell uns eins auswischen will, sondern einen astreinen Erpresser, der wieder zuschlägt und vor allem die IT-Abteilung der Polizei bei Laune hält. Er hat wohl nur ein dankbares Opfer gefunden.«
Tim dachte nach. »Es sei denn, Karl hat einen Alleingang hingelegt und wusste mehr als wir. Da sieht man mal, wie gefährlich das ist.«
Gaby prustete. »Da können wir ja von Glück reden, dass wir vom TKKG nie irgendwas auf eigene Faust regeln. Jedenfalls bleibt uns momentan nur die BITCon als Anhaltspunkt. Und damit die Metamorph Design GmbH – bei der Hideyoshi Murakami übrigens seit gestern Abend offiziell Teilhaber ist.«
»Also sind wir wieder schneller, als die Polizei erlaubt?«
»Wir sind uns ja wohl so einig wie nie zuvor, dass wir etwas unternehmen müssen. Immerhin geht’s um Karl. Nicht nur um sein verkorkstes Date, sondern auch darum, wohin es ihn offensichtlich gebracht hat. Außerdem schuldet der Veranstalter Klößchen ja noch fünfundvierzig Euro.«
»Betrachte uns als unterwegs.«
Im Messezentrum war noch genauso viel los wie gestern. Leute liefen zwischen den verschiedensten Ständen hin und her, unterhielten sich, stellten Fragen, tranken um eine abenteuerliche Uhrzeit Sekt und schossen Selfies.
Rosalie hatte ihr Wort gehalten. Durch die Einladung kamen Tim, Klößchen und Gaby unentgeltlich zur Ausstellung; aufgrund eines ›ausgesprochen peinlichen Missverständnisses‹ wurden Klößchen seine – aufgerundet – fünfzig Euro ebenfalls umgehend ausgezahlt.
»Ob Euler mit seiner Firma überhaupt noch hier ist?« überlegte Klößchen. »Immerhin hat er ja, wie’s aussieht, den Investor gefunden, den er gesucht hat. Kann doch sein, er hat die Zelte abgebrochen, nachdem er erreicht hat, was er wollte.«
»Herr Euler meinte doch ausdrücklich, er wäre noch die vollen drei Tage hier«, meinte Tim. »Auch wenn er den Deal da noch nicht sicher in der Tasche hatte.«
»Man könnte meinen, ihr habt alle beide zwei dicke Scheiben Fleischtomaten auf den Glotzern«, befand Gaby und ging voraus, dorthin, wo sich der Stand von Metamorph Design befunden hatte. Und immer noch befand.
Tim und Klößchen folgten ihr und erblickten auch gleich Rosalie Euler und Lars Stübler, welche beide den Eindruck erweckten, als warteten sie auf den Sommer. Sie blickten jedoch umgehend auf, als die verbliebenen drei Viertel der TKKG-Bande bei ihnen standen.
»Okaeri nasai!« grüßte Lars als Erster. Willkommen zurück! – hieß das. Offenbar trainierte er sein Japanisch, um dem Geschäftspartner seines Chefs zu imponieren.
»Da seid ihr ja wieder!« Rosalie bemühte sich um ein freundliches Lächeln. »Hat’s geklappt mit der Karte?«
»Hat es.« Klößchen nickte. »Ich bin nun wieder im stolzen Besitz von fünfzig Euro, sogar fünf Euro mehr, als ich bezahlt habe. Ist zwar nicht alles, was ich hoffentlich bald zurückbekomme, aber immerhin ein Anfang.«
Rosalie hob fragend eine Augenbraue.
»Nicht wichtig«, intervenierte Tim.
»Karl ist nicht zufällig wieder aufgetaucht?« fragte sie stattdessen.
»Fehlanzeige«, antwortete Gaby knapp. »Leider.«
»Ihr müsst wissen«, schaltete sich Lars ein, »ich hab das Ganze ja gestern auch noch belächelt. Aber Rosalie denkt an nichts anderes. Er scheint ja doch ganz gut Eindruck schinden zu können. Hätte ich gar nicht vermutet.«
»Ach, ist das so?« Halb belustigt zog Tim beide Augenbrauen hoch. »Wir kennen ihn seit Jahren, aber vor allem als wandelndes Lexikon. Naja, und natürlich auch als Technikgenie. Da macht ihm so schnell niemand was vor.«
Rosalie musste schmunzeln. »Ihr habt aber nicht wirklich Jahre gebraucht, um das zu bemerken, oder doch?«
»Nein, das ging doch erheblich schneller.« Tim räusperte sich. »Was wir nur so schlecht nachvollziehen können, ist, weshalb man ihm dafür eins auf die Zwölf gibt. Ich meine, es ist ja prinzipiell erst mal nichts falsch daran, ein Genie zu sein.«
Klößchen schaltete sich ein. »Was Tim fragen möchte, ohne zu wissen, wie, ist: Könnte Karl in den letzten vierundzwanzig Stunden jemandem auf die Zehen gelatscht sein? Ist beispielsweise jemand eifersüchtig, weil du für eine Weile lang zu einer Verabredung im Café SÜSSRAHM abkommandiert warst?«
Tim und Gaby blickten Rosalie an. So offen aussprechen, was jeder dachte – das konnte wohl nur Klößchen.
Diese schnaufte. »Ich wüsste nicht, wer damit ein Problem haben könnte.«
Unwillkürlich schaute Gaby Lars an.
Dieser bemerkte das direkt und grinste. »Ich mit Sicherheit nicht«, meinte er. »Da hab ich doch etwas andere Sachen zu tun, als mich mit so ’nem Quatsch herumzuschlagen. Und selbst wenn – ich kann mich durchaus noch beherrschen.«
Noch ehe jemand etwas erwidern konnte, näherte sich Rosalies Vater aus heiterem Himmel. Er grinste ebenfalls. »Dann beherrsche mal besser die Uhr«, sagte er geradezu feierlich. »Ich bin gleich zum Geschäftsessen geladen. Das heißt, der Stand macht für heute dicht. Lars, Rosalie, ihr habt Feierabend!«
Beide zuckten synchron mit den Schultern. »Das lassen wir uns nicht zweimal sagen«, meinte Rosalie und wandte sich an Tim, Klößchen und Gaby. »Falls ihr noch Fragen habt, müsst ihr wohl morgen wiederkommen.«
»Machen wir.« Tim nickte. »Und grüßen Sie Murakami-san von uns!«
»Sehr gern!«
Rosalie und Lars nickten ihnen noch kurz zu und folgten dann Herrn Euler. »Ich bin mit dem Wagen da, ich bring dich nach Hause, wenn du willst«, hörte man Lars noch zu Rosalie sagen. Sie zuckte mit den Schultern und nickte, hatte somit offenbar kein Problem damit.
Tim, Klößchen und Gaby blickten sich an. »Denkt ihr, was ich denke?« fragte Tim.
»Lars«, antwortete Gaby knapp. »Ist euch aufgefallen, wie er ›beherrschen‹ betont hat? Genau so komisch wie der Anrufer gestern, als er meinte, ›Ich bin dein Herrscher‹.«
»Es wäre irre«, meinte Klößchen. »Aber auf dieser Welt ist nichts zu irre. Hinterher?«
»Aussichtslos«, erwiderte Tim. »Die sind im Wagen zu schnell. Nein, wir fahren zum Polizeipräsidium. Nur da kann man uns jetzt noch weiterhelfen.«
»Und das aus deinem Munde.«