Und es geht heiter weiter popeiter.
Kapitel 4 von ... öhm, gute Frage. Aus der Kurzgeschichte wird allmählich ein Taschenbuch ...

Naja, bei gleichbleibendem Rhythmus wären die nächsten zwei Wochen jedenfalls schon mal gerettet. For better or worse.
Kapitel 4: Gräfliche Grüße
Tim, Klößchen und Gaby waren am Gartencafé SÜSSRAHM vorbeigekommen. Klößchen hatte einen sehnsüchtigen Blick auf die Kuchenteller der Gäste geworfen, welche auch um diese Zeit noch die Wärme der Sonne genossen, doch Tim hatte zum Fortgang gedrängt.
An der nächsten Station waren sie in die U-Bahn eingestiegen und fuhren nun in Richtung Wertheymer Platz, von wo aus, wie ihnen hinlänglich bekannt war, der Bus in Richtung Lindenhofallee abfuhr.
Wenn man Karl finden wollte, musste man denken wie er. Und hätte er jemanden gesucht, hätte er ebenfalls darauf bestanden, dass derselbe Weg benutzt würde – dessen war Tim sich sicher.
Wenngleich die Bahn um diese Zeit gut mit Fahrgästen gefüllt war, war ein Viererplatz ganz hinten frei gewesen.
Richtiggehend donnernd schoss der Waggon durch den dunklen Tunnel.
»Also«, begann Klößchen, »diese Rosalie ist ja wohl wirklich mal nett. Und sieht auch nicht verkehrt aus. Kein Wunder, dass Karl sich anscheinend die Zeit für ein Kaffeekränzchen mit ihr genommen hat.«
»Sie geht klar, eindeutig«, meinte Tim. Auf Gabys missbilligenden Blick hin fügte er hastig hinzu: »Also, soweit ich sie mir angesehen habe. Auf den ersten Blick hätte ich gesagt, Karls Geschmack könnte sie treffen.«
»Und um deinen geht’s ja nicht«, meinte Gaby.
Tim legte einen Arm um die Schulter seiner Freundin. »Da könnte sie mit dir natürlich nicht mithalten. Nicht einmal, wenn sie es ernsthaft probieren würde.«
Dies und ein Schmatzer auf die Wange schienen Gaby vorläufig zu besänftigen.
»Karl hatte also ein Rendezvous«, schloss Klößchen, um den mehr oder minder scherzhaften kleinen Zwist zu unterbrechen. »Oder zumindest was in der Art. Komisch eigentlich, dass uns das vorhin so überrascht hat. Ich meine, es steht ja nirgends geschrieben, dass nicht auch ein schüchterner, bebrillter Hänfling mit einem Schädel voll Fachwissen mal Glück haben kann. Außerdem haben wir immer noch Frühling. Da tanzen die Gefühle bekanntlich Samba.«
Gaby nickte. »Ich hätte das weniger drastisch ausgedrückt. Aber du hast recht. Ich fühlte mich eben auch leicht ertappt, muss ich sagen.«
»Das erklärt also sein Verschwinden von der Messe«, warf Tim ein, »nicht aber sein Verschwinden nach seinem … Rendezvous. Irgend etwas muss ihn davon abgehalten haben, von hier aus nach Hause zu fahren.«
Eine Computerstimme verkündete den nächsten Halt. Wertheymer Platz.
»Vielleicht erfahren wir das ja gleich«, meinte Gaby und erhob sich.
Auch Tim und Klößchen machten sich bereit zum Ausstieg. Alle hielten sich noch einmal kurz an den Sitzen, als der Fahrer bremste.
»Karl würde jetzt sagen, der Fahrer könnte auch Informatiker sein«, bemerkte Klößchen. »Der kennt auch nur die Eins für Vollgas und Null für Vollbremsung.«
Als die Tür geöffnet wurde, sprangen alle drei sofort nach draußen.
Jetzt, zum Feierabendverkehr, waren nicht nur die Züge der U-Bahn, sondern auch ihre Stationen schier zum Bersten voll.
Tim erreichte die Rollbahn in Richtung Erdoberfläche wie üblich zuerst. Viel weiter als Gaby und Klößchen kam jedoch auch er nicht; dafür missachteten – wie üblich – zuviele Leute das ›Rechts-stehen-links-gehen‹-Gebot.
Als sie endlich oben ankamen, schaute sich Gaby, die, bedingt durch ihren zentralen Wohnort, die innerstädtischen Busverbindungen am besten kannte, umgehend nach der Linie in Richtung Lindenhofallee um, wo Karl bekanntlich residierte.
Das verständnislose Kopfschütteln der vielen Leute an der Haltestelle hätte ihr eigentlich bereits alles sagen können, doch die letzte Gewissheit erhielt sie durch die Anzeigetafel.
»Leute, ich glaub, wir haben einen Teil der Antwort«, sagte sie zu Tim und Klößchen. »Die Linie fällt für den Rest des Tages aus.«
»Wieder mal Personalnot?« mutmaßte Tim. »Wäre ja keine Seltenheit heutzutage, gerade bei den hiesigen Verkehrsbetrieben.«
»Steht nicht dran. Kann auch Probleme geben, weil da vorne ’ne Baustelle ist. Beides möglich, in unserer Stadt. Aber vielleicht hat Karl dann eine andere Strecke genommen. Nur fährt von hier kein anderer Bus in die Richtung. Kann also sein, er ist weitergelaufen und hat gehofft, er erwischt an einer anderen Station eine Verbindung, die noch bedient wird.«
»Von wo aus könnte denn noch einer fahren?« fragte Klößchen.
Gaby überlegte kurz. »Vielleicht Hauptbahnhof. Dorthin müsste man oberirdisch durch die Baustelle hier, aber die Ersatzroute dürfte soweit frei sein.«
»Also müssen wir laufen.« Klößchen versuchte gar nicht erst Begeisterung zu zeigen, setzte sich allerdings dennoch in Bewegung.
»Dort ist jedenfalls eine Seitengasse, durch die man in die Richtung abkürzen kann«, fiel Tim auf. »Also, los, Freunde!«
*
Die Seitengasse war in der Tat eine gern genutzte Abkürzung für Fußgänger, erst recht, wenn die Baustelle keinen Durchgang erlaubte. Autofahrer hatten das Nachsehen; dafür wäre die Gasse zwischen den herrschaftlich aussehenden Gebäuden aus der Gründerzeit freilich entschieden zu eng gewesen. Lieferanten durften hier laut einem Schild dennoch passieren.
Sie hatten das Ende, an dem sie in einer breiten, dennoch nur für Fußgänger freigegebenen Altstadtstraße mündete, beinahe erreicht.
Doch dann blieb Tim so abrupt stehen, dass Gaby und Klößchen ihn beinahe umgerannt hätten.
»Weshalb der Stillstand, Häuptling?« fragte Klößchen.
»Weil ich was gefunden habe.« Tim bückte sich.
Einige Glassplitter hatten die sich ihren Weg zwischen den Häusern bahnenden Strahlen der Abendsonne reflektiert.
Klößchen sah dies ebenfalls. »Möchte wissen, welche Umweltsau das schon wieder war«, kommentierte er.
»Wahrscheinlich gar keine«, gab Tim zurück. »Diese Splitter hier stammen eindeutig von einem Brillenglas. Die Dicke passt. Und ein wenig Blut ist auch dran. Hier hat jemand gehörig eins auf die Zwölf bekommen, und zwar jemand, der eine Brille trägt.«
»Und der eine Visitenkarte verloren hat«, vermeldete Gaby, welche, nur einen knappen Meter hinter Tim, ein Stück Papier vom Boden aufhob.
»Doch wohl nicht …«, begann Klößchen.
»Doch«, erwiderte Gaby und verlas: »Hier steht’s. ›Rosalie Euler. Metamorph Design GmbH. Junior CEO‹.«
»Ach, du ahnst es ja nicht«, meinte Tim. »Gerade mal Praktikantin. Nur weil der eigene Vater zufällig der große Boss ist, geht man schon mit Business-Kärtchen hausieren. Das könnte schon etwas daran ändern, was wir von der Dame zu halten haben.«
»Also, ich fand sie nett«, widersprach Klößchen. »Ich krieg sogar meine Kohle zurück.«
»Ja,
du. Und wenn Karl genauso leichtgläubig war wie du, hat er sie fein ausgeführt und exakt an diesem Fleck hier die Quittung dafür erhalten. Wenn auch wohl nicht von ihr selbst.«
»Du hältst sie für verdächtig? Auch wenn wir gar nicht sicher beweisen können, dass wirklich Karl hier einen mitgekriegt hat?«
»Zumindest sollten wir nichts voreilig ausklammern.«
Klößchen seufzte. »Na schön. Wann machen wir sie dingfest und quetschen sie aus wie ’ne Zitrone? Und bekomme ich dann trotzdem mein Geld wieder?«
Tim musste lachen. »Das wiederum wäre ebenso voreilig.«
»Um meine Barschaft ist’s aber wirklich schlecht bestellt. Ein Glück, hab ich noch meine Bankkarte mit Zugriff auf mein Schülerkonto.«
»Gleich um die Ecke ist eine Sparkasse«, antwortete Gaby. »Die wird geschlossen haben, aber an den Automaten kann man immer.«
Dies ließ sich Klößchen nicht zweimal sagen. Er stapfte bereits los.
Tim verstaute, mangels eines passenden Behälters, die größte der Scherben in seiner Hosentasche.
Gaby steckte die Karte ein.
Ausnahmsweise war Klößchen schneller. Als Tim und Gaby nach nur wenigen Metern die Sparkasse erreichten, stand Klößchen bereits vor dem Geldautomaten.
Auf diesen wollte er schon fast einhämmern – jedenfalls sah er wütend genug dafür aus.
»Was ist?« erkundigte sich Tim. »Geheimzahl vergessen?«
»Schlimmer.« Anklagend wies Klößchen auf den Automaten. »Vier Euro und neunundsiebzig Cent! Das kann beim besten Willen nicht sein!«
»War dein letzter Großeinkauf doch etwas sehr groß?«
»Unmöglich! Heute Morgen hab ich noch geguckt, da hatte ich noch über hundert Euro drauf. In der Zeit hab ich nichts abgehoben und auch nichts überwiesen.« Klößchen ließ sich seufzend die Karte wieder herausgeben. »Und an Auszüge komm ich jetzt natürlich nicht, sonst könnte ich gucken, ob es eine Lastschrift gab …«
In diesem Moment klingelte Klößchens Handy.
Er stöhnte erneut, zog es hervor und nahm ab. »Willi Sauerlich hier! Wer stört?!«
»Schon ’ne ziemliche Scheiße, so ohne Kohle, was?« meldete sich eine dunkle Männerstimme. Sie klang leicht verzerrt und sehr dumpf, blieb aber verständlich.
Klößchen runzelte die Stirn. Intuitiv stellte er sein Telefon auf volle Lautstärke. »Wer sind Sie?«
»Jemand, der dich sieht«, scholl es aus dem Äther.
Stirnrunzelnd sahen sich alle drei um. Im geschäftigen Treiben schien jeder seiner eigenen Wege zu gehen. Niemand fiel ihnen auf.
»Und der was genau will?« fragte Klößchen.
»Ich will, dass du weißt, wieviel Macht ich habe, Willi Sauerlich. Ich, der Schwarze Graf, bin der
Herrscher!« Er betonte das Wort geradezu theatralisch. »Über dich, deine Freunde, vielleicht bald alle. Verstehst du? Alle!«
Klößchen verdrehte die Augen, »Toll. Und was wollen Sie außerdem noch?«
»Ihr drei haltet euch raus! Und ihr haltet die Bullen raus. Insbesondere diesen Glockner. Klar? Sonst geht’s eurem Freund Karl Vierstein an den Kragen.«
Gaby wedelte sich selbst Luft zu. Sie wurde kreidebleich.
Tim blickte sich immer noch um, doch weiterhin schien sie niemand zu beobachten.
»Und weiter?« fragte Klößchen. »Was sollen wir tun?«
»Warten, bis ich wieder anrufe. Bis dahin … hähähä!« lachte die Stimme hämisch. »Bis dahin kannst du ja zusehen, wo’s für knapp fünf Flocken Schokolade gibt!«
Dann knackte es in der Leitung.
»Aufgelegt …« Klößchen schüttelte den Kopf.
Tim hob die Schultern. »Okay, Freunde, das wird ernst.« Seine Stimme bebte förmlich. »Wir haben einen Feind, und der ist nicht ohne.«
»Taktischer Rückzug?« fragte Gaby.
Tim seufzte. »Uns bleibt leider nicht viel übrig. Gehen wir heim. Hätten wir doch nur wenigstens einen kleinen Anhaltspunkt, wo Karl steckt …«
– FORTSETZUNG FOLGT –