Und damit wären wir bei Kapitel 10 von 13. Wir haben's ja fast geschafft ...

Aber kein Ende ohne etwas Action.
Ich glaube auch, die Anzahl der noch unklaren Fragen sollte langsam wirklich etwas kleiner werden.
Kapitel 10: Spiel ohne Gewinner
Lars Stübler hatte indes beschlossen seine Tarnung aufzugeben. Er hatte den Helm samt Krone abgenommen; dies half ihm, sein Anliegen mimisch zu untermauern und ohne Verzerrer zu sprechen. Sowohl Karl, der weiterhin am Schreibtisch saß, als auch Rosalie, welche Lars auf einen weiteren hölzernen Stuhl in der Ecke gesetzt hatte, waren sich unsicher, ob das wirklich von Vorteil war.
Er hatte ein Klappmesser gezückt, mit dem er zum Ausdruck brachte, wie ernst es ihm war, während er im Flur auf und ab spazierte.
»Das Rätsel war nicht schwer zu lösen«, meinte Karl, während er nebenbei noch auf die Tastatur einhämmerte. »Man hat es dir auch ohne Verzerrer immer noch angehört, dass du das bist.«
»Dann kannst du dir den Rest ja auch zusammenreimen«, meinte Lars.
»Gerne. Du bist also ›
TheBlackCount‹, der gefürchtetste Hacker in der Stadt und im ganzen Bundesland, aber das wussten wir ja schon. Du hast dich schön als Praktikant bei Metamorph Design eingeschlichen – kamst aber trotzdem nicht an die sensiblen Zugangsdaten. Weil sie die aus sehr guten Gründen nicht an jeden weitergeben, der ein Namensschildchen trägt.«
»Richtig«, bestätigte Lars. »Und da dachte ich, wende ich mich eben an das noch größere Genie. Vor allem, wenn es passenderweise auch noch die Kurze vom Chef datet.«
Rosalie musste schnaufen. »Denkst du, ich gebe streng geheime Zugangsdaten an jeden weiter, mit dem ich mal ’nen Kaffee trinken gehe?«
»So lange, wie ihr weg wart, hätte es ja sein können, dir rutscht da mal das eine oder andere Detail raus. Ich meine, jetzt mal ganz unter uns – worüber habt ihr bitte so lange gequasselt?!«
Wie aus einem Munde antworteten Karl und Rosalie: »Smalltalk. Bisschen Fachsimpelei, bisschen über Gott und die Welt, dies, das, Ananas.«
Jetzt musste Lars schnaufen, wobei er zugleich eine wegwerfende Handbewegung machte. »Ihr seid genau wie alle anderen Nerds, die was miteinander am Laufen haben. Da verpasst man echt nichts. Weder amüsantes Geturtel, noch spannende Geheimnisse.«
»Laufen wäre zuviel gesagt«, entgegnete Karl. »Es war einfach nur ein Kaffee. Alles im besten Falle rein platonisch.«
Rosalie nickte.
»Platonisch?« wiederholte Lars. »Ich glaube, das ist Griechisch für ›zum Abkratzen langweilig‹, ja? Naja. Wäre mir ja an sich auch egal. Aber ihr wollt mir doch nicht erzählen, ihr habt beide keine Ahnung, wie man an
Prophecy herankommt!«
Karl kommentierte dies nicht, sondern widmete sich kurzerhand wieder der Kommandozeile.
»Ich bin halt auch nur Praktikantin«, entgegnete Rosalie. »Nur weil mein Vater den Laden schmeißt, hab ich nicht automatisch Sonderrechte. Keine Ahnung, warum das irgendwie immer jeder denkt.«
»Tja, und ich komm auch nicht rein.« Karl hob die Schultern.
Lars schüttelte missbilligend den Kopf. »Du kriegst die Motten …«, murmelte er. Dann hob er urplötzlich das Messer an. »Okay. Dann also neuer Plan. Franz Euler rückt die Zugangscodes für
Prophecy raus – oder seinem Püppchen und ihrem platonischen Macker passiert was.«
Drohend kam er auf die beiden zu.
In dem Moment drückte Karl den Knopf.
*
Kriminalmeisterin Tamina Salah hatte erst knappe zweiundzwanzig Sommer gesehen und weitaus weniger davon im Polizeidienst verbracht, hatte sich jedoch ziemlich schnell angewöhnt, keine unnötigen Fragen zu stellen, wenn es darum ging, welches Anliegen der TKKG-Bande soeben auf den Nägeln brannte.
Da sie jedoch über den Stand der Ermittlungen ihrer Kollegen im Falle ›
TheBlackCount‹ bestens im Bilde war, wunderte sie sich nicht weiter über die Bitte ihr Diensthandy, ebenso wie ihr privates, auf der Wache zu lassen. Tim, Karl und Gaby taten es ihr selbstredend gleich.
So steuerte sie ihren Dienstwagen einigermaßen gelassen durch die südliche Innenstadt, soweit es der Verkehr zuließ.
»Viel muss ich euch ja zu ›
TheBlackCount‹ nicht mehr erzählen«, meinte sie. »Was euch neu sein könnte, wisst ihr natürlich nicht von mir.«
»Wie immer«, gab Tim, welcher hinten rechts saß, grinsend zurück.
»Wir sind vollumfänglich ahnungsbefreit.« Gaby, die sich den Vordersitz reserviert hatte, nickte.
»Ich schweige wie die Lämmer«, behauptete Klößchen, »solange das dazu führt, dass ich mein Geld endlich wiedersehe. Was bildet sich dieser aufgeblasene Turnbeutelvergesser eigentlich ein?«
»Das kann ich dir direkt beantworten, Willi«, erwiderte Tamina. »Laut seinem Täterprofil leidet er an exzessivem Größenwahn mit überdeutlichem Hang zum pathologischen Narzissmus. Er ist ein Egomane. Oder ganz platt ausgedrückt, er ist ich-bezogen und herrschsüchtig.«
»Naja«, meinte Klößchen, »das ist der Hund unserer Nachbarn schräg gegenüber auch. Nur räumt der nicht mein Konto leer oder verschickt Drohanrufe. Naja, jedenfalls noch nicht.«
Das ›Revierküken‹ musste ob des Vergleichs schmunzeln, blieb jedoch ernst. »Und das ist der Unterschied. ›
TheBlackCount‹ ist mächtig. Der wahrscheinlich raffinierteste Hacker unserer Zeit. Seine Spezialität ist es, mit einer selbst programmierten Datenkrake sensible Informationen von allen Leuten abzugreifen, an denen er vorbeigeht. Sie brauchen nur ihre Bankkarte dabei zu haben, schon kann er schalten und walten, wie er will. Und während das nicht neu ist – Banden mit diesen Möglichkeiten gibt’s wie Sand am Meer –, so kann er Kontostände beliebig ändern und sogar alle Spuren verwischen. Dazu kann er als Empfänger einer Lastschriftüberweisung jedes beliebige Konto angeben, egal ob es existiert oder nicht.«
»Das spricht wieder für unseren Hauptverdächtigen«, schloss Gaby, »An Willis Kontodaten kam er demnach, weil er ihm auf der
BITCon begegnet ist.«
»Und wohl auch an seine Handynummer«, ergänzte Tim.
Tamina nickte. »Richtig. Er kann jedes Mobiltelefon anzapfen und sogar tracken – selbst wenn es ausgeschaltet sein sollte. Daher haben wir’s schon richtig gemacht, die Dinger auf dem Präsidium zu lassen.«
»Aber wieso ›
TheBlackCount‹?« wunderte sich Gaby. »Wie kam er auf den Namen?«
»Höchstwahrscheinlich einfach durch das Schloss Seligenruh«, antwortete Tamina. »Es gehörte einst einem Adelsgeschlecht, den Grafen von Hüpp und Tramms. Die haben das Anwesen jedoch noch während des Ersten Weltkriegs verkauft, wodurch da kein Verlust entstand, der später hätte schmerzen können. Lange Zeit gehörte es zur nächstgelegenen Gemeinde und lag wegen fehlender finanzieller Mittel brach, bevor Moritz und Christine Stübler – Lars Stüblers Eltern – letztes Jahr das Anwesen erwarben. So dürfte es auch nicht verwundern, dass wir es ab da plötzlich mit ›
TheBlackCount‹ zu tun bekamen.«
*
Dies war nun schon das zweite Mal, dass Lars Karl und Rosalie ansah, als habe er Gespenster gesehen, die den Füchsen im Walde Gute Nacht sagten und den Rothirsch Sieglinde nannten.
Wie angewurzelt blieb er mitten im Flur stehen. »Was hast du gemacht?« wollte er wissen.
»Meine Aufgabe«, erwiderte Karl. »Dir den Zugang zu
Prophecy verschafft.«
Lars blickte an Karl vorbei. Verdutzt starrte er auf den Bildschirm, welcher eine Glaskugel mit Sternen zeigte.
»Ein Onlinedienst für Wahrsagerei? Du willst mich verarschen, oder.«
Karl triumphierte sichtlich. »Es ist das Einzige, was ich zu bieten habe«, erwiderte er und hob die Schultern.
Lars stotterte. »Das … dir ist aber klar, dass ich …«
Karl ergänzte. »… die Counter-AI von Metamorph Design suche? Ja, das hab ich auch getan.« Er betätigte kurz die Maus, um ein separates Fenster zu öffnen. »Und bin dabei nicht gerade auf eine Goldgrube gestoßen, mal platt formuliert. Es ist möglich, die haben das Programm von ihrer Ablage entfernt. Da die Installationsdateien aber noch existieren und tatsächlich auch zu einem Programmcode führen, und ich mir nicht vorstellen kann, dass die bei einer sicherheitsrelevanten Datenübertragung derart schlampig arbeiten, haben wir beide wohl denselben begründeten Verdacht, die Metamorph Design GmbH verkauft vor allem heiße Luft.«
Lars schnappte nach Luft.
»Ich … ich krieg die Tür nicht zu …«, entfuhr es ihm. »Also doch! Ich hätt’s mir ja gleich denken können …«
Rosalie war kreidebleich angelaufen. »Das ist absolut unmöglich!« brachte sie hervor. »
Prophecy existiert. Es ist einwandfrei funktionstüchtig. Ich habe es selbst getestet. Mehrmals, zum letzten Mal kurz bevor die
BITCon eröffnet wurde. Ob man die Vollversion 1.0 jetzt direkt als fehlerfrei bezeichnen will, gut, das lassen wir dahingestellt. Aber was Hideyoshi Murakami gekauft hat, war –«
»Heiße Luft«, unterbrach sie Lars verärgert. »Das hat dein platonischer Macker schon ganz richtig formuliert. Vielleicht sogar Schadsoftware oder Spyware. Keine Ahnung. Dann steht wohl fest, dein Daddy haut gerne Leute übers Ohr.«
Rosalie blickte nun drein, als sei sie den Tränen nahe. Ob sie ihrem Vater so etwas nicht zutraute, oder sich ein möglicher, längst gehegter Verdacht bestätigte, konnte man nicht erahnen.
Karl wusste nicht, wie er sie jetzt hätte trösten sollen. Daher wandte er sich an Lars: »Tja, sieht aus, als ob dieses Spiel keinen Gewinner hätte. Wenn doch, bist
du es jedenfalls nicht.«
Lars schüttelte den Kopf. »Unfassbar. Aber gut, das können wir dann nicht ändern.« Nun schien er fieberhaft zu überlegen. »Dann bliebe wohl nur noch die Frage, was ich jetzt mache. Mit den Möglichkeiten, die ich noch habe.«
Seine Stimme wurde leiser, gewann dabei jedoch wieder etwas mehr Bedrohlichkeit.
»Und vor allem, mit
euch.«
– FORTSETZUNG FOLGT –